Die Verbindung von leistungsstarken Promis und leistungsstarken Autos ist ein tolles Vorbild für ein Leben in glamouröser Verschwendung. Eine Polemik.
Was Natur ist im Winter, lernen die Österreicherin und der Österreicher im Fernsehen. Da pflügen High-End-Autos unbeirrbar, spurentreu durch den jungfräulichen Schnee. Hinter dem Steuer sitzt Österreichs letzter Skistar Marcel Hirscher und wirbelt das PS-Ungeheuer durch den Tiefschnee. Was der kann, nämlich in der engsten, waghalsigst genommenen Kurve seiner Linie treu bleiben und nicht hinausfliegen, kann das Wägelchen angeblich auch. Das Auto ist die Verlängerung der (männlichen) Waghalsigkeit und Präzision, ein unverzichtbarer, verlässlicher Gefährte, ja die Reinkarnation des verfluchten Kerls, der nun sozusagen auf sich selbst reitend die Umgebung zu seinem Revier reduziert, zum Showroom seiner Leistung.
Gefeierte Rücksichtslosigkeit. Die TV-Spots des Ski-Weltcup-Generalsponsors Audi sind typisch für die Verachtung, die eine denaturierte Sportindustrie, die absurderweise mit dem Sport in freier Natur wirbt, der Umwelt entgegenbringt. Die intelligenzbefreiten, auf primitivste Befriedigung des Rasens abzielenden TV-Clips nutzen den Promifaktor der Sportstars, den die Massenmedien ins Globale vergrößern.
Das beste Beispiel für diese gefeierte Rücksichtslosigkeit ist wahrscheinlich der portugiesische Fußballer Cristiano Ronaldo. 2009 spielte er für Manchester United. Damals verdiente er im Vergleich zu später, als er mit Real Madrid die spanische Meisterschaft und die Champions League mehrfach gewann, noch Heidelbeeren und hatte schon einen Fuhrpark wie ein Ölprinz. Eines Tages zerstörte er seinen 230.000 Euro-Ferrari in einem Tunnel und musste für einige Tage mit dem für einen Star wie ihn eher peinlich unterfrisierten Bentley zur Arbeit fahren.
Ronaldo wurde von den britischen Versicherungsunternehmen, die ihre Interessen ungleich aggressiver wahren als die eher leidensbereite Umwelt, als unkalkulierbares Risiko eingestuft. Erst fand sich kein einziges Versicherungsunternehmen, um mit dem damals 23-jährigen Raser einen Vertrag abzuschließen, Schätzungen über die Jahresprämie begannen laut britischer Zeitung „The Guardian” bei 100.000 Pfund (umgerechnet 110.000 Euro).
Teure Autos, teure Menschen. Celebrities verkünden die Heilsbotschaft der Leistung. Wer mehr leistet, hat mehr und ist mehr und kann sich eben mehr – leisten. Sportstars eignen sich dafür besonders hervorragend, weil die Ergebnisse und Erfolge in ihrem Metier im Unterschied zu Branchen wie Kunst oder Wirtschaft zu einem großen Teil auf tatsächlich messbaren Parametern bestehen. Tore kann man zählen, Tore entscheiden über Erfolg oder Misserfolg, und wer sie halbwegs regelmäßig beisteuert, wird dafür reichlich belohnt.
Der Sport teilt Menschen ein, davon lebt er, dafür lebt der (Spitzen)Sportler, Mann oder Frau. Der Autokauf teilt Menschen ebenfalls ein. Und er ist das größte Umweltproblem der Welt.
Aber er ist hip: Je teurer das Vehikel, desto teurer der Mensch. Im Internet findet sich eine unüberschaubare Menge an Pages, die Promis mit Luxury Cars zeigen. In manchen Fällen ist zwar nicht ganz klar, wer da der Promi ist, die Figur, die auf dem Auto lehnt oder der Wagen. Aber sie schauen alle sauteuer aus und so, als wären sie für den Alltag ungeeignet. Und zwar Mensch und Maschine.
An der Spitze der Ernährungspyramide scheint derzeit der Mercedes G-Wagon zu stehen. Ein geländegängiger Berg von einem Auto, ideal geeignet für die unwegsame Gegend von Hollywood mit ihren sieben Autobahnen. Es ist beruhigend zu erfahren, dass eine selbstbewusste, moderne, erfolgreiche, reflektierte Frau wie Paris Hilton sich einen derartigen Untersatz zugelegt hat.
Laut der einschlägig informierten Website www.celebritycarsblog.com liebt Arnold Schwarzenegger inmitten einer Flotte an bezinfressenden Monstern immer noch seinen eher altmodischen Hummer. Diese Urform des Sports Utility Vehicle (SUV) wurde aus einer Version für das US-Militär quasi zivilisiert und straßentauglich gemacht. Ein halbwegs ordentliches Gerät fährt in 20 Zentimeter hohem Sand immer noch rund 120 km/h.
Hummers Kinder aus der Familie der SUVs sind vielleicht die anschaulichste Form der Verschwendung. Die Autoindustrie nützt wie im Fall des Tiefschnee-Audis die Sehnsucht nach „Freiheit” und redet den Leuten ein, von einem erhöhten Platz aus besser auf die anderen herunterschauen zu können.
Monster-Verschwender. Diese trottelhaften Autos haben innen zwar kaum oder gar nicht mehr Platz als ein ordentlicher Wagen vor 20 Jahren bot, aber sie verschwenden dafür doppelt so viel Blech, Benzin, Gewicht und Luftwiderstand.
Die „Achsen des Bösen” und ihr durchschlagender Erfolg in den USA, dem Mutterland der Ressourcenvergeudung, machen dort mehr als ein Drittel aller verkauften Autos aus. Der Rest sind Pick-ups und andere Monster. Dort begann die Verwandlung des SUV von einem Pseudo-Gebrauchsgegenstand zu einem Kulturphänomen.
Wie Nike keine Sportschuhe verkauft, sondern eine Lebensattitüde, werden SUVs nicht als Autos verwendet, sondern als Statement: „Ich verändere die Umwelt, wie ich es will.”
Wer weiß, welche menschenvernichtenden Machtmittel die USA einsetzen, um die Rohstoffe für ihre Autoindustrie zu sichern, wer die zynische Reaktion der deutschen Autoindustrie auf die Abgasbetrügereien in ihren Erzeugnissen erlebt hat, muss anerkennen: das Gerede von Nachhaltigkeit, falls es im Zusammenhang mit Verbrauchswerten und Tempobeschränkungen überhaupt aufkommt, ist bloße Propaganda.
Salonfähige Herablassung. Typen wie Schwarzenegger machen vom Steuer ihrer Vehikel aus die Herablassung gegenüber Mitmenschen und Umgebung fashionable. Wer es geschafft hat, kann sich alles erlauben. Das ist der Kern, der auch in der Botschaft von Bundeskanzler Sebastian Kurz steckt, wenn er Armen Sozialhilfegelder streicht und von der Leistung redet, die sich wieder „lohnen” müsse. Kurz würde auf ähnliche Vorhaltungen in der Regel eine präfabulierte Entgegnung parat haben – und damit die Vorhaltung bestätigen, ohne dass er es auch nur ahnt: „Wir reden hier von Chancen für alle und von der Stärkung des Einzelnen.”
Der SUV ist die Metapher des alten weißen Mannes, der den Planeten umbringt. Leider ist das selbst den Gutwilligsten – noch – nicht klar. Zum Klimagipfel in Polen lud Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen den ehemaligen Gouverneur von Kalifornien und selbsternannten Umweltaktivisten Schwarzenegger ein, der ja tatsächlich ein paar Worte hier und dort für die Umwelt einlegt.
Die „steirische Eiche” angesichts seines Lebensstils aber nicht mit seiner Protzsucht zu konfrontieren, sondern als Vorbild für das Umdenken der Menschheit und den Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe zu präsentieren, ist freilich ein starkes Stück Gedankenlosigkeit.
Die wahre Leistung bestünde darin, auf SUVs zu verzichten oder mit politischem Lobbyismus auf ein Verbot hinzuarbeiten. Und haltet diese Skirennfahrer in ihren Vierrad-Karren von den Schneehängen fern.
Johann Skocek (Studium der Leibeserziehung und Geschichte) ist Journalist und Buchautor mit dem Schwerpunkt Sport-Wirtschaft-Politik.
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